Ich weiß ja nicht, was ihr so am Buß- und Bettag gemacht habt, aber für mich war es ein ereignisreicher Tag. Wir waren nämlich in Köln. Wir, das sind meine Mama, mein Dad und ich. Vanessa ist in Dresden geblieben und auf unseren Hund hat Silke, die Mama von Anke, aufgepasst. Aber das wollt ihr sicher gar nicht so genau wissen.
Damit wir nicht nur den ganzen Tag auf der Autobahn zubringen, sind wir schon am Dienstag nach Köln gefahren. Genau genommen nur bis Altenkirchen, wo wir in einem Hotel übernachtet haben. Mein Paps sagt, dass war viel billiger als in Köln. Er hat das Hotel noch während der Fahrt übers Internet gebucht.
Am nächsten Morgen sind wir dann gut erholt nach einem ausgiebigen Frühstück, die restlichen 60 Kilometer weiter bis nach Köln gefahren. Weil die Besuchszeit im Krankenhaus erst ab 14 Uhr beginnt, haben wir uns erst mal einen schönen Vormittag gemacht. Da sind wir zunächst nach Rodenkirchen an den Rhein gefahren. Mein Paps ist da groß geworden. Und wisst ihr was, er hat mir nicht nur das Haus gezeigt, was sein Urgroßopa, also mein Ur-Urgroßopa gebaut hat, sondern auch seine geheimen Stellen am Rheinbogen. Nur schade, dass die seinen Kletterbaum abgesägt haben. Ist für ihn glaube ich ganz schön traurig, aber im Grunde nicht so schlimm, weil das da aussieht wie in einem Urwald. Ein Baum mehr oder weniger fällt da nicht wirklich auf – selbst wenn das der Kletterbaum von meinem Paps war.
In diesem Haus hat mein Paps seine Kindheit verbracht. Inzwischen haben die da eine Mauer vorgebaut. Angeblich um vor Hochwasser zu schützen, dabi sind die Häuser am Rhein schon so gebaut, dass das Wasser nicht in die Wohnungen läuft.
Von Rodenkirchen sind wir am Rhein entlang bis nach Köln in die Innenstadt gefahren. Völlig bescheuert, was die da an Mauern gegen das Hochwasser gebaut haben. Mein Paps hat nur mit dem Kopf geschüttelt und an der Marienburg gesagt: „So ein Schwachsinn, da setzten die eine Mauer hinter eine Mauer. Und die neue Mauer ist flacher als die alte. So was gibt es wohl nur in Köln!“ Quatsch habe ich da nur gedacht. In Roßwein wollen die doch auch eine Mauer bauen, nicht gegen das Hochwasser vom Rhein, sondern von der Mulde. Und da stehen auch schon Mauern, die höher sind als die, die jetzt gebaut werden sollen. Beim Hochwasser setzt offenbar bei vielen der Verstand aus, sonst würden die so dumme Dinge gar nicht machen. Das kapiert sonst doch wohl schon jeder Erstklässler, dass das so nicht geht.
Aber ich will euch nicht mit irgendwelchen langweiligen Sachen ärgern, sondern von den wirklich wichtigen Dingen berichten. Ihr esst doch sicher genauso gerne Schokolade wie ich oder etwa nicht? In Köln gibt es dafür ein richtiges Museum. Ja, ihr habt richtig gelesen, am Rhein steht ein echtes Schokoladenmuseum. Das ist wirklich toll da. Weil da nicht nur langweilige Bilder an der Wand hängen, auf denen erklärt wird wie man Schokolade macht und warum die eigentlich gesund ist, wenn man nicht zuviel davon isst. Da stehen Maschinen, die echte Schokolade machen. Für jeden Besucher gibt es am schon am Eingang ein kleines Täfelchen. Und nicht nur das: Da gibt es sogar einen Schokoladenkoch, der die Tafeln per Hand macht. Bunte, mit Mustern, schwarz-weiße und, und, und. Sieht so aus als wäre der ein richtiger Profi-Schokoladen-Macher. Und hättet ihr gewusst, dass jede Schokolade gerüttelt und geschüttelt wird, bevor sie abkühlt und zur fertigen Tafel wird. Das machen die mit Maschinen und auch per Hand. Sonst wäre die Rückseite der Schokolade, ja nicht schön glatt.
Im Schokoladenmuseum in Köln werden die Tafeln bevor sie fetig sind geschüttel und nicht gerührt.
Im Museum gibt es dann auch noch einen richtigen Schokoladenbrunnen. Davor steht wie die Kölner sagen würden ein lecker Mädchen mit Wäffelchen in der Hand. Wenn man dann da vorbei geht, tunkt sie eines dieser Wäffelchen in die flüssige Schokolade und reicht sie einem zum Probieren. Hmmmm, echt lecker. Schade, dass man nur ein Wäffelchen bekommt. Aber das machen die wahrscheinlich deshalb, damit man nach dem Besuch im Museum so große Lust auf mehr Schokolade hat, und die dann für teures Geld im Museumsshop kauft. Haben wir auch getan. Ich habe mir mit meiner Mama vier Pralinen gekauft. Ihr könnt euch sicher denken, dass die nicht billig waren. Fast vier Euro für vier Pralinen, mein Paps hat nur mit dem Kopf geschüttelt. So was verstehen Männer eben nicht.
Frauensache: Die Pralinen im Museumsshop sind zwar wirklich sündhaft teuer, aber dafür eine Sünde wert.
Aber ich hatte nach dem Museumsbesuch eben nicht nur Lust auf Schokolade, sondern richtig Hunger auf was Herzhaftes. Ihr merkt schon Essen ist eine meiner großen Leidenschaften. Auf jeden Fall sind wir dann mit dem Auto in die Südstadt gefahren. Nach einem endlosen Gerenne, weil die Kneipe hat zu, und der Schmitze Lang ist geschlossen, sind wir dann im Früh gelandet. Das Früh ist eine Gaststätte in der das Bier in Strömen fließt. Brauhaus sagen de Kölner wohl auch dazu. Mein Paps hat da gleich ein Bier getrunken und meine Mama hat ein Wasser bestellt. Da hat sie der Kellner richtig komisch angeschaut. Motto: Wasser ist vielleicht noch zum Waschen da, aber trinken geht gar nicht. „Totes oder lebendiges“, wollte er dann noch von meiner Mama wissen. Die hat das sogar gleich kapiert. Lebendiges, also mit Sprudel. Ich durfte mir ausnahmsweise eine Cola bestellen. Kaum war das Wasser und die Cola da, hat mein Paps auch schon sein zweites Kölsch bekommen. Der musste nicht mal sagen, dass er noch eins will. Der Kellner, der eigentlich Köbes genannt wird, hat es ihm einfach gebracht.
Kurz nach 14 Uhr sind wir dann ins Severinsklösterchen – so nennen die Kölner das Krankenhaus der Augustinerinnen im Herzen der Südstadt – gelaufen. Das ist so ein grauer Klotz, bei dem man schon vom hinsehen krank wird. Ich frage mich, wieso die solche Häuser immer so trist gestalten müssen. Krank zu sein ist doch im Grunde schon traurig genug. Eigentlich mag ich ja Krankenhäuser nicht, aber für meine Oma mache ich da eine Ausnahme. Denn meine Oma Annemie ist die coolste Oma der Welt. Leider hat sie eine Krankheit, von der die Ärzte auch nach fast zwei Wochen noch nicht wissen, was das genau ist. Angeblich eine untypische Lungenentzündung. Dagegen bekommt sie Antibiotika als Infusion. Damit wollen die Ärzte das, was sie krank macht von innen heraus bekämpfen. Ich hoffe, dass die wissen, was sie tun. Ich glaub ja eher, dass meine Oma sich in Shanghai was eingefangen hat. Aber wissen tu ich das natürlich nicht.
Im Klösterchen sind wir dann auf Station Joseph gefahren – mit einem riesigen Aufzug. Joseph ist zwar ein Männername, aber trotzdem dürfen da auch Frauen liegen. Meine Oma liegt da mit einer anderen Patientin auf einem Zimmer. Die haben sogar zwei Kühlschränke – für jede einen. Als ich sie gesehen habe, war ich zunächst ganz schön geschockt. So viele Leitungen, und meine kleine Oma in einem riesigen Bett. Aber sie hat sich total gefreut, uns zu sehen. Schließlich haben wir ihr einen Überraschungsbesuch abgestattet. Und ich habe ihr auf der Severinsstraße noch einen kleinen Strauß Rosen gekauft, weil sie die so mag. Außerdem hatte ich am Rhein ein paar Muscheln für sie gesammelt. Ja, die gibt es nicht nur an der Ostsee oder am Mittelmeer, sondern auch direkt am Rhein. Zum Abschied ist meine Oma dann noch mit uns über den Krankenhausflur bis zum Aufzug gegangen. Aber erst musst sie eine Schwester von einem der Kabel befreien. Die restlichen hat sie dann an einen Rollator gehängt und konnte loslaufen. Ach ja und wisst ihr wieso meine Oma wirklich die coolste Oma der Welt ist? Dann schaut euch mal das Foto an. Sie hat meinem Paps beim Fotografieren einfach die Zunge rausgestreckt. Mein Paps hat nur gesagt, dass sieht ja aus wie bei Albert Einstein. Den kennt ihr nicht? Ich bis dahin auch nicht. Aber das war so ein ganz verrückter Physiker, der für seine Arbeit den Nobelpreis bekommen hat. Das hat der geschafft, obwohl der so schlecht in der Schule war und sogar mal sitzen geblieben ist. Bei uns in Sachsen hätte es der wohl nicht mal aufs Gymnasium geschafft.
Das ist meine Oma, die coolste Oma der Welt. Bis zu ihrer Pensionierung war sie übrigens Lehrerin - sieht man ihr gar nicht an, oder?
Bis bald
Eure
Victoria